Lange war es ruhig um die Tokio Hotel. Bill und Tom Kaulitz (25) waren quasi ber Nacht nach Kalifornien geflchtet. Dort arbeiteten sie an ihrem vierten Album „Kings of Suburbia“, das Elektro-Beats mit Instrumenten zu Clubmusik vereinigt. Ein Interview.
Warum sind Sie nach Los Angeles gezogen?
Bill Kaulitz: Weil wir an einen Punkt gekommen sind, wo uns alles zu viel geworden ist. Wir brauchten dringend Abstand von dem ganzen Tokio-Hotel-Wahnsinn. Um endlich mal herauszufinden, was wir wirklich vom Leben erwarten. Dafr mussten wir unsere Karriere fr eine Weile hinten anstellen und unseren Kopf freimachen.
Haben Sie in Kalifornien tatschlich die Anonymitt gefunden, nach der Sie sich gesehnt haben?
Bill Kaulitz: Ja. Anfangs sind wir gar nicht richtig nach Los Angeles reingezogen, sondern haben ein bisschen auerhalb gewohnt. So konnten wir komplett abtauchen. Zumal wir zuerst total oft zuhause waren und kaum auf die Strae gegangen sind.
Tom Kaulitz: Wir werden hier sehr viel weniger angestarrt als in Deutschland. Wobei das Erkanntwerden auch nicht unbedingt das Problem ist.
Bill Kaulitz: Genau. Richtig schlimm wird es, wenn die Leute vor dem Tor stehen oder einem sogar hinterherfahren. Das ging ja teilweise schon in etwas Krankhaftes ber. In den USA sind wir mit so etwas nicht mehr konfrontiert.
Es besteht also keine Gefahr, dass Sie so abrutschen wie Britney Spears?
Bill Kaulitz: Jeder Mensch geht doch mal durch Krisen – das lsst sich nicht vermeiden. Er stellt sich selber oder seine Karriere infrage. Man muss nur versuchen, das aus der ffentlichkeit rauszuhalten, sonst machen die Medien gleich ein Riesending daraus. Wir hatten uns jedenfalls nicht ohne Grund vllig aus der ffentlichkeit zurckgezogen. Wenn wir jetzt wieder richtig durchstarten, kann es durchaus passieren, dass ich in eineinhalb Jahren sage: „Ich kann nicht mehr. Ich brauche wieder eine Auszeit.“
Rein theoretisch knnten Sie die Band dann auflsen. Oder wren Sie fr die Normalitt nicht geschaffen?
Bill Kaulitz: Ich kann weder mit noch ohne den Ruhm besonders gut leben. Einerseits liebe ich es, auf der Bhne zu stehen und Musik zu machen. Andererseits tue ich mich schwer damit, kein Privatleben zu haben. Es gibt also schon Momente, in denen ich unseren Erfolg verfluche. Aber Tokio Hotel ist die Liebe meines Lebens.
Mchten Sie manchmal mit Ihrem Schlagzeuger Gustav Schfer und Ihrem Bassisten Georg Listing tauschen, die nicht so prominent wie Sie sind?
Bill Kaulitz: Klar haben sie es hier und da leichter als wir. Sie wohnen ja immer noch in ihrer Heimatstadt. Der Verlust der Privatsphre war fr die beiden nie ein so groes Thema wie fr uns. Darber sind sie echt froh. Sie mchten bestimmt nicht mit uns tauschen.
Sind sie wirklich nie eiferschtig auf Sie?
Tom Kaulitz: Jeder hat seine Rolle in der Band, das hat sich natrlich entwickelt. Insofern bricht da kein Streit aus. Neid oder Eifersucht gab es bei uns nie.
Ich wage zu bezweifeln, dass sich Brder berhaupt nicht zoffen.
Bill Kaulitz: Wir streiten uns teilweise richtig heftig. Wenn das mal passiert, dann ist es so krass, dass alle anderen aus dem Raum gehen.
Tom Kaulitz: Aber nach sptestens zwei Stunden ist alles wieder gut.
Bill Kaulitz: Weil wir uns ein Leben ohneeinander berhaupt nicht vorstellen knnen. Im Grunde sind wir wie eine Person. Wenn wir voneinander getrennt sind, fehlt etwas.
Aber Sie wollen nicht ewig unter einem Dach leben, oder?
Bill Kaulitz: Ich glaube, wir werden immer irgendwie zusammenleben. Vielleicht wohnen wir irgendwann in zwei nebeneinanderliegenden Husern, die durch einen Tunnel verbunden sind.
Tom Kaulitz: Obwohl wir in den letzten fnf Jahren nicht auf der Bhne gestanden haben, verbrachten wir dennoch jeden Tag miteinander.
Wie sieht denn heute Ihr Alltag in Los Angeles aus?
Bill Kaulitz: Tom ist ein bisschen ruhiger als ich. Ich gehe total viel aus. Eigentlich bin ich nur am Partymachen.
Tom Kaulitz: Wir haben einen komischen Rhythmus. Erst zwischen 6 und 7 Uhr gehen wir ins Bett. Wir sehen jeden Morgen den Sonnenaufgang.
[Berliner Zeitung]