"Krone": Doch nicht alle eure Fans sind restlos begeistert – ein paar ltere, die Tokio Hotel schon immer hrten, sind aufgrund eures Stilwechsels Richtung Elektronik regelrecht verstrt. Warum eigentlich diese Vernderung?
Kaulitz: Der einzige Anspruch fr uns selbst war, dass wir das Album selber richtig gut finden. Wir haben uns nicht bewusst verndert, sondern selber geschrieben und produziert. Das Ergebnis ist die Musik, die sich fr uns selbst gut angefhlt hat. Wir wollten auch keine Kompromisse eingehen, sondern einfach das durchziehen, was fr uns das Beste war. Es ist schon klar, dass es nicht allen Leuten gefllt, und das ist auch ganz normal.
"Krone": Es gab Zeiten, da waren englische Texte fr euch kein Thema – nun ist das komplette Album "Kings Of Suburbia" in dieser Sprache gehalten.
Kaulitz: Na ja, wir haben schon seit dem zweiten Album alle Scheiben in zwei Sprachen verffentlicht und das letzte Album "Humanoid" auch auf Englisch und Deutsch geschrieben. Damals fiel uns schon auf, dass wir Deutsch schon nur mehr deshalb verwendet haben, weil die Leute das von uns erwarteten. Wir mussten damals viel bersetzen und Songs doppelt singen – da geht auch viel vom Inhalt verloren. Auerdem gibt es im Studio Momente, die kriegst du kein zweites Mal hin. Das war fast wie Broarbeit, das bersetzen. Das fanden wir aber nicht mehr gut und wir wollten die Songs so lassen, wie sie entstanden sind. Wir haben in diesem Fall eben alles auf Englisch geschrieben und da sich der Prozess des bersetzens so unnatrlich anfhlte, haben wir es dieses Mal einfach nicht gemacht.
"Krone": Im Video zu eurer Single "Girl Got A Gun" sieht man ein masturbierendes Plschtier und viele sexuelle Andeutungen. Beim Video zu "Love To Love You Back" knutscht du wahllos mit Mnnern und Frauen herum. Ist das eine Notwendigkeit, um nach der langen Abwesenheit wieder herauszustechen?
Kaulitz: Das haben wir uns nicht wirklich vorgenommen. Viele Leute glauben sicher, dass das alles Kalkl ist, aber wir treffen nur die kreativen Entscheidungen in den jeweiligen Momenten. Wir berlegen uns keinesfalls bestimmte Provokationen, sondern waren eher ber diese Diskussionen erstaunt. Das hat uns absolut berrascht. Wir versuchen keine Skandale zu kreieren, sondern machen einfach alles so, wie wir es cool und geil finden. Die Leute knnen dann damit machen, was sie wollen.
"Krone": Ist doch schn, wenn ihr berhaupt polarisieren knnt. Das ist heute doch gar nicht mehr so einfach.
Kaulitz: Ja, das stimmt. Es gibt so viele krasse Sachen von anderen Knstlern – manche haben zum Beispiel an ihrem Krper noch nichts, was sie nicht schon gezeigt htten. Allein deshalb htte ich nicht gedacht, dass ber unsere Videos diskutiert wird.
"Krone": Weil wir eingangs schon ber die unterschiedlichen Rezeptionen gesprochen haben. Eine wenig schmeichelhafte Kritik kam von der "Sddeutschen": "Es ist so, als htte David Guetta mit einer E- Gitarre auf einem iPad aufgenommen." Wie sehr berhrt euch so etwas?
Kaulitz: (lacht) Eine Kritik kritisiert ja meistens. Etwas Positives kommt da selten raus, oft sind einzelne Journalisten ja einfach nur sauer, dass sie kein Interview von uns bekommen haben. Oft waren es in der Musikgeschichte die besten Alben, die von Journalisten nach Erscheinen schon mal verrissen wurden. Im Endeffekt schreibt das ein einziger Mensch und deshalb berhrt uns das auch nicht sonderlich – wir lesen uns so etwas gar nicht mal durch.
"Krone": Nach dem dritten Album "Humanoid" seid ihr 2009 fluchtartig nach Los Angeles ausgewandert, weil der Rummel um euch in Deutschland unertrglich war. War dieser Schritt notwendig, um in Ruhe erwachsen werden zu knnen?
Kaulitz: Der Umzug war in jedem Fall im kreativen Prozess, als auch fr unser Privatleben ntig. Nach "Humanoid" wussten wir gar nicht, was wir noch sagen sollten, wir waren total leer und hatten berhaupt keine Inspiration mehr. Wir mussten von der Karriere etwas Abstand kriegen und mal eine Weile gar nichts machen. Wir haben versucht, unser Privatleben auf die Reihe zu kriegen und das ist auch notwendig, um berhaupt Musik zu machen. Natrlich htten wir locker ins Studio gehen und irgendetwas aufnehmen knnen, aber wir hatten den Anspruch, etwas Geiles zu machen, und sind selbst unsere hrtesten Kritiker. Wir wollten nicht etwas hinschleudern, um einfach nur den Vertrag zu erfllen. Wenn man dann aber – so wie wir jetzt – alles selbst in die Hand nimmt, dann dauern manche Sachen einfach ein bisschen lnger.
"Krone": Es gab Zeiten, da konntest du den Namen Tokio Hotel nicht einmal mehr hren. Wie lang hat es gedauert, bis Energie und Motivation wieder zurckgekehrt sind?
Kaulitz: Das nahm schon einige Zeit in Anspruch. Wir hatten das Gefhl, die ganze Zeit unterwegs zu sein und nie eine Pause gehabt zu haben. Damals rckten auch so viele Privatgeschichten von uns in den Vordergrund und das nahm im Vergleich zu unserer Musik eindeutig berhand. Das hat uns berhaupt nicht gefallen und in erster Linie wollten wir uns einfach aus den Medien zurckziehen. Das war die viel grere und schwierigere Aufgabe. Keine privaten Skandale, kein Bldsinn, keine Interviews und keine Fotos. Das war nicht einfach, das auch so durchzuziehen. Das Musikmachen vermisst man dann aber relativ schnell und nach etwa eineinhalb Jahren haben wir in unserem selbstgebauten Studio wieder geschrieben und produziert. Es hat dann nicht lange gedauert, bis die Lust wiederkam, aufzutreten und unsere Musik mit den Menschen zu teilen.
"Krone": Gab es bei euch schon Wesensvernderungen? Wie amerikanisch seid ihr mittlerweile geworden?
Kaulitz: Also die ganzen Amis sagen immer, wir wren typisch deutsch. Wir sind immer pnktlich, superlssig und mit allem sehr korrekt. Das fllt glaube ich schon auf, dass wir uns das Deutsche auch in den USA bewahrt haben.
"Krone": Habt ihr jetzt wieder ein entspannteres Verhltnis zu eurer alten Heimat?
Kaulitz: Wir hatten eigentlich nie ein schlechtes Verhltnis und mgen Deutschland total gerne. Knnten wir ungestrter in Deutschland leben, wren wir auch hier – Georg und Gustav leben nach wie vor hier und wir haben alle ein sehr gutes Verhltnis zu unseren Eltern und unseren Familien. Eigentlich gibt es da berhaupt keine Probleme.
"Krone": Ein derartiges Comeback muss natrlich auch mit einer anstndigen Tour begleitet werden. Was knnen wir da fr 2015 erwarten?
Kaulitz: Wir sind gerade dabei, die Tour zu planen, und ich denke wir werden ab dem Frhjahr das ganze Jahr ber live spielen. Wir wollen in alle Lnder fahren und uns wieder krftig zurckmelden.
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